Vererbungslehre am Beispiel der Deutschen Zwerg-Wyandotten blau

Die Vererbungslehre, auch Genetik genannt, ist die Lehre von der Weitergabe von Merkmalen (Eigenschaften) von einer Generation zur nächsten. Sie befasst sich mit den Mechanismen und Regeln, die bestimmen, wie diese Merkmale vererbt werden und wie es zu Variationen innerhalb einer Population kommt.

Grundlagen der Vererbung

  • Gene: Die Grundeinheiten der Vererbung sind die Gene. Sie bestehen aus DNA (Desoxyribonukleinsäure) und enthalten die Information für ein bestimmtes Merkmal.
  • Allele: Gene kommen in verschiedenen Varianten vor, die als Allele bezeichnet werden. Ein Tier erbt in der Regel zwei Allele für jedes Gen, eines von der Mutter und eines vom Vater.
  • Homozygot: Wenn die beiden Allele für ein bestimmtes Gen identisch sind (z.B. beide Allele codieren für eine schwarze Farbe), spricht man von homozygot.
  • Heterozygot: Wenn die beiden Allele für ein bestimmtes Gen unterschiedlich sind (z.B. ein Allel codiert für schwarz, das andere für blau), spricht man von heterozygot.
  • Dominant und Rezessiv: Bei heterozygoten Individuen kann ein Allel das andere überdecken. Das überdeckende Allel wird als dominant bezeichnet, das unterdrückte als rezessiv.
  • Intermediärer Erbgang (unvollständige Dominanz): In manchen Fällen überdeckt ein Allel das andere nicht vollständig. Stattdessen entsteht ein Mischphänotyp (äußeres Erscheinungsbild). Die blaue Farbe bei vielen Hühnerrassen ist ein typisches Beispiel für einen intermediären Erbgang.
  • Genotyp: Der Genotyp bezeichnet die genetische Ausstattung eines Individuums, also die Kombination der Allele, die es besitzt.
  • Phänotyp: Der Phänotyp ist das äußere Erscheinungsbild eines Individuums, das durch den Genotyp und Umwelteinflüsse bestimmt wird.

Die Genetik der blauen Farbe bei Hühnern

Die blaue Farbe bei Hühnern, einschließlich der Deutschen Zwerg-Wyandotten, wird durch ein einzelnes Gen mit zwei Allelen gesteuert:

  • B: Das dominante Allel codiert für die schwarze Farbe (eigentlich das Fehlen einer Aufhellung).
  • b: Das rezessive Allel ist für die Aufhellung des schwarzen Pigments (Eumelanin) zu Blau verantwortlich.

Wichtig ist hierbei, dass die blaue Farbe nicht durch ein vollständig dominantes oder rezessives Allel entsteht, sondern durch einen intermediären Erbgang.

Die Erzüchtung der blauen Farbe

Um die blaue Farbe bei Deutschen Zwerg-Wyandotten zu erzüchten, müssen wir die verschiedenen Genotypen und ihre resultierenden Phänotypen verstehen:

  • BB (homozygot dominant): Individuen mit diesem Genotyp besitzen zwei dominante Allele für Schwarz. Ihr Phänotyp ist schwarz. Sie können kein Blau vererben.
  • bb (homozygot rezessiv): Individuen mit diesem Genotyp besitzen zwei rezessive Allele für die Aufhellung. Ihr Phänotyp ist splash (auch als „schmutzig weiß“ oder „hellgrau“ bezeichnet). Die Federn sind ungleichmäßig hellgrau bis weiß gesprenkelt.
  • Bb (heterozygot): Individuen mit diesem Genotyp besitzen ein dominantes Allel für Schwarz und ein rezessives Allel für die Aufhellung. Aufgrund des intermediären Erbgangs ist ihr Phänotyp blau. Das schwarze Pigment wird durch das einzelne „b“-Allel teilweise aufgehellt, was zu der typischen blauen Farbe führt.

Verpaarungsmöglichkeiten und ihre Ergebnisse

Um blaue Deutsche Zwerg-Wyandotten zu züchten, gibt es verschiedene Verpaarungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Ergebnissen:

  1. Schwarz (BB) x Schwarz (BB):

    • Alle Nachkommen haben den Genotyp BB und sind somit schwarz. Es fallen keine blauen oder splashfarbenen Küken.
  2. Blau (Bb) x Blau (Bb):

    • Mögliche Genotypen der Nachkommen: BB, Bb, bb im Verhältnis 1:2:1.
    • Phänotypen der Nachkommen: 25% schwarz (BB), 50% blau (Bb), 25% splash (bb). Diese Verpaarung ist die häufigste Methode, um blaue Tiere zu erhalten, führt aber auch zu schwarzen und splashfarbenen Küken.
  3. Schwarz (BB) x Blau (Bb):

    • Mögliche Genotypen der Nachkommen: BB, Bb im Verhältnis 1:1.
    • Phänotypen der Nachkommen: 50% schwarz (BB), 50% blau (Bb). Bei dieser Verpaarung fallen keine splashfarbenen Küken.
  4. Schwarz (BB) x Splash (bb):

    • Alle Nachkommen haben den Genotyp Bb und sind somit blau. Diese Verpaarung ergibt ausschließlich blaue Küken.
  5. Blau (Bb) x Splash (bb):

    • Mögliche Genotypen der Nachkommen: Bb, bb im Verhältnis 1:1.
    • Phänotypen der Nachkommen: 50% blau (Bb), 50% splash (bb). Bei dieser Verpaarung fallen keine schwarzen Küken.
  6. Splash (bb) x Splash (bb):

    • Alle Nachkommen haben den Genotyp bb und sind somit splash. Es fallen keine schwarzen oder blauen Küken.

Die „Reinerbigkeit“ der blauen Farbe

Es ist wichtig zu verstehen, dass es keine reinerbigen blauen Deutschen Zwerg-Wyandotten im Sinne von „BB“ oder „bb“ für die blaue Farbe gibt. Die blaue Farbe ist immer ein Ergebnis des heterozygoten Zustands (Bb). Wenn man versucht, „reinerbige blaue“ Tiere zu züchten, würde man immer wieder schwarze und splashfarbene Nachkommen erhalten (siehe Verpaarung 2).

Züchter, die ausschließlich blaue Nachkommen wünschen, wählen idealerweise die Verpaarung von Schwarz (BB) x Splash (bb). Allerdings setzt dies voraus, dass man auch rein schwarze und rein splashfarbene Tiere im Zuchtbestand hat.

Züchterische Überlegungen

  • Zuchtziel: Wenn das Ziel ist, möglichst viele blaue Tiere zu erhalten, ist die Verpaarung von Blau x Blau am gängigsten, auch wenn dabei unerwünschte Farben fallen.
  • Auswahl der Zuchttiere: Züchter achten nicht nur auf die Farbe, sondern auch auf andere Rassemerkmale wie Körperbau, Kammform, Legeleistung etc.
  • Farbintensität: Innerhalb der blauen Farbvariante gibt es Schattierungen. Züchter versuchen oft, eine bestimmte, ideale Blaufärbung zu erzielen.
  • Verpaarungsplanung: Eine sorgfältige Planung der Verpaarungen unter Berücksichtigung der Genotypen der Elterntiere ist entscheidend für den Zuchterfolg.

Rainer Salzer